Komplexität ist subjektiv
Ein gutes Beispiel für subjektive Komplexität ist Klavierspielen. Das Notenblatt einer Beethoven Sonate wirkt für einen Anfänger chaotisch und komplex. Das Spielen dieser Sonate, indem man Rhythmus und Harmonie mit zwei Händen kontrollieren muss, ist umso schwieriger. Für einen fortgeschrittenen Klavierspieler ist es kein Problem. Es wird ihn nicht wirklich herausfordern, weil er diese Fähigkeiten „im Blut“ hat.
Das Gleiche gilt für Benutzeroberflächen. Nehmen wir hier das Beispiel des Cockpits eines Airbus A380. Für den Laien wirkt alles unglaublich komplex und überfordernd. Ist es also misslungenes Interface Design? Natürlich nicht, denn für den Piloten wirkt alles verständlich angeordnet. Das muss es auch, denn ein Pilot muss diese Elemente „blind“ bedienen können. Das Gleiche gilt für Enterprise Software. Unternehmen sind komplexe Organisationen mit komplexen Prozessen. Eine Software zur Prozesskontrolle kann die Natur dieser Komplexität nicht vereinfachen. Wir müssen Komplexität anpacken und verstehen, dann wird sie uns eines Tages nicht mehr komplex vorkommen.
Komplex und kompliziert
Wir wünschen uns, dass Produkte einfach sind. Andererseits neigen wir schnell dazu, Produkte oder andere Dinge kompliziert zu machen. Wir fügen ständig Features zu Produkten hinzu, weil sie sich besser verkaufen. Bei der Kaufentscheidung ist mehr einfach mehr. Beim Nutzen dieser Produkte stellen wir oft fest, dass dieses Mehr doch keinen Mehrwert hat. Im Gegenteil: Das Produkt wird einfach nur komplizierter. Brauchen wir wirklich einen Wasserkocher mit digitalem Display, einem WLAN Modul und einer App, die uns eine Push-Notifikation schickt, wenn das Wasser gekocht ist?
Dasselbe gilt für komplizierte Software, deren Interface sich nicht an geltende Standards hält oder Busfahrpläne, deren Fahrten nicht in einem regelmäßigen Takt laufen. Albert Einstein hat es mit seinem Zitat auf den Punkt gebracht:
“Things should be as simple as possible but no simpler”
Albert Einstein
Dieses Prinzip aus der Wissenschaft kann wunderbar auf Produktdesign angewendet werden: Unnötige Dinge weglassen, aber nur bis zu einer bestimmten Grenze. Haben wir alle unnötigen komplizierten Features in einem Produkt entfernt, können wir uns den wesentlichen Bestandteilen widmen. Ein Produkt kann immer noch komplex sein und das wird es auch bleiben. Wir müssen es so gestalten, dass unsere User die Komplexität verstehen. Dazu können wir auf bestimmte Design-Patterns und Konzepte zurückgreifen. In dem Vortrag Managing Complexity wird über diese Konzepte gesprochen.