Die User Interface Design GmbH, kurz UID, ist in der jungen UX-Branche ein Traditionsunternehmen und ein Pionier. Seit über 20 Jahren entwickelt unsere Firma Benutzeroberflächen und gestaltet Nutzererlebnisse – lange bevor sich User Experience als essenzieller Teil der Produktentwicklung etabliert hatte. Der Konzern ist fest im schwäbischen Gründungsstandort Ludwigsburg verwurzelt, und er hat weitere Niederlassungen in Berlin, Dortmund, Mannheim und München mit rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Welche Gründe kann es geben, eine solche Firma agil zu transformieren – und wie stellt man so etwas an?
Die Frage nach dem Warum ist im Grunde leicht beantwortet. Anders als vor zwanzig, zehn oder gar fünf Jahren ist User Experience längst keine Nischenleistung mehr. Der Markt ist heiß umkämpft. Mit jedem Jahr drängen mehr Konkurrenten in den Wettbewerb.
Große Unternehmensberatungen kaufen inhabergeführte Agenturen auf. Diese Konstellation verschärft die Herausforderung, einen überzeugenden USP zu definieren, ein Alleinstellungsmerkmal, das für Kunden heraussticht. Aber neben der Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsorientierung ist das Thema Mitarbeiterzufriedenheit allgegenwärtig. Wie in anderen Branchen, sind auch UX Designer/innen, -Consultants und -Entwickler/innen zurecht anspruchsvoller geworden. Aufstiegschancen, Weiterbildung und ein konkurrenzfähiges Gehalt sind wichtig, aber sie sind nicht alles. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter streben nach Sinn und Selbstverwirklichung, sie wollen sich mit ihrem Arbeitgeber und dessen Werten identifizieren können.
Und genau hier liegt – oder besser lag – die Crux. Seit Jahren schon arbeitete UID auf operativer Ebene agil, mit flachen Hierarchien und kurzen Entscheidungswegen im Projektalltag. Dem stand eine klassische Unternehmensstruktur gegenüber: mit Teamleiterinnen und Teamleitern, Unit-Managern und einer Geschäftsführung. Top down, hierarchisch. Diesen Widerspruch zu lösen, war für uns Herausforderung und Ansporn zugleich. Mitarbeiter und Geschäftsführung waren sich einig: Ein gemeinsamer Transformationsprozess musste her, nicht von oben verordnet, sondern von allen getragen.
Dann ging es los. Quer durch die gesamte Firma wurde nach Leuten gesucht, die Lust darauf hatten, die Unternehmensstruktur neu zu denken. Jedes Team wählte einen Vertreter. Am Ende stand schließlich ein zwölfköpfiges Transformationsteam mit einer klaren Mission: binnen fünf Monaten ein Minimum Viable Product (MVP) zu entwickeln und UID fit zu machen für die agile Zukunft – mit neuen Prozessen, Entscheidungswegen und einer neuen Unternehmenskultur. Unser Vorgehen sollte von Anfang an agil sein. Wir arbeiteten in zweiwöchigen Sprints. Wir dokumentierten alle Ergebnisse in unserem internen Social Network, machten Umfragen und testeten unsere Vorschläge. Für uns war der MVP-Ansatz aus zwei Gründen der richtige. Zum einen wollten wir uns nicht dem unrealistischen Druck aussetzen, für alle Fragen direkt eine Lösung haben zu müssen (z.B. haben wir den Bereich Gehalt und Karrierepfade aus dem MVP ausgeklammert); zum anderen repräsentiert der Ansatz genau das, wie wir UID als agiles Unternehmen sehen: ein Start, um gemeinsam mit der gesamten Belegschaft UID immer weiter zu entwickeln.
Uns war klar, dass wir für UID einen ganz individuellen Weg finden mussten. Zum einen sind die klassischen Beispiele wie Spotify nicht auf uns übertragbar, da wir kein Produkt herstellen, sondern Dienstleistungen anbieten. Zum anderen wollten wir kein Konzept übertragen, sondern eins machen, das wirklich zu 100% zu uns und unseren Bedürfnissen und Unternehmenskultur passt.
Diese neue Struktur baut auf drei Säulen auf: Mindset, Struktur und Methodik. Struktur meint, wie wir uns agil organisieren und zusammenarbeiten. Mit Methodik sind alle Techniken und Tools gemeint, die uns befähigen, agil und selbstorganisiert zu arbeiten. Das Wort Mindset steht für die Haltung von uns allen. Wir wollen aktiv gemeinsam an unseren Zielen arbeiten. Es gibt keine vorgefertigten Lösungen. Wir wissen, dass wir nur gemeinsam die beste Lösung für das Problem finden. Einstellung zu unserer Arbeit: eigenverantwortlich arbeiten, aktiv Arbeitsalltag und Team gestalten, Feedbackkultur leben.
Neue Strukturen schaffen
Da wir in der Projektarbeit bereits agil arbeiteten, war das Fundament für die Säulen Methodik und Mindset vorhanden. Wir sahen die größte und entscheidendste Baustelle im Bereich Struktur. Die neue Struktur sollte durch Prinzipien und nicht durch Regeln entstehen.
Sehr schnell fanden wir einen roten Faden durch zwei Prämissen, die von nun an unser Handeln leiten sollten: Hierarchiereduktion und Selbstführung.
Hierarchiereduktion bedeutete für uns zwei fundamentale Änderungen: Abschaffung der Teamleiter- und Unitleiterpositionen. Mit dem Inkrafttreten der neuen Struktur sollte es weder auf Team- noch auf Unitebene eine Person geben, die über alle(s) entscheidet. Stattdessen wanderten alle Entscheidungen ins Team.
Das Prinzip der Selbstführung füllte die so frei gewordenen Handlungsräume mit Leben. Jeder sollte die Möglichkeit erhalten, sich mit Themen und Ideen einzubringen und dabei so viel Verantwortung zu übernehmen, wie man kann und will. Und: Jedes Team sollte nach Abstimmung mit allen Beteiligten eigenständig Entscheidungen treffen.
Anhand dieser Leitsätze konzipierten wir einen neuen Unternehmensaufbau, und auch hier wollten wir in der Darstellung ganz neue Wege gehen. Deshalb entschieden wir uns ganz bewusst gegen ein Organigramm, sondern für die visuelle Metapher einer Pflanze: Jedes einzelne Element der Pflanze hat seine eigene Bedeutung, und jedes einzelne Element hängt, wie in einem echten Organismus, von allen anderen Elementen ab.
Seit dem 1.8.2019 ist unser MVP live. Seitdem schärfen wir unsere agile Organisation und arbeiten gemeinsam an Mindset und unseren Methoden Kenntnissen – gemeinsam, offen und immer iterativ.